BEYOND HYPOTHERMIA (HK 1996)

Eine Frau (Wu Chien Lien) geht heimlich in eine Eisfabrik und zerschlägt mit einem Vorschlaghammer einen großen Eisblock, der ein Präzisionsgewehr beinhaltet. Sie nimmt es raus, macht es schußfertig und stoppt die Propellar eines Ventilators mit einer Eisenstange. Durch diesen Ventilator visiert sie ihr Ziel an. Es ist ein Mann, der in einer Nachtbar eine Party feiert und sie drückt ab. Den Schuß nicht hörend, findet die Kugel ihr Ziel und der Mann stirbt. Die Frau verschwindet danach lautlos in die Dunkelheit der Nacht.


Wieder in Hongkong begibt sie sich in ihre Wohnung. Sie schließt die Tür ab, stellt eine Flasche davor und macht sich bettfertig. Unter ihrem Bett hat sie einen Pistolenhalfter in die sie ihre Waffe steckt und legt sich schlafen. Es sind fünf Regeln, die in ihrem Leben bestimmend sind. 1. kein Name, 2. keine Identität, 3. keine Fotos, 4. keine Vergangenheit und 5. immer den Wohnsitz nach drei Monaten wechseln. Die einzige Kontaktperson ist ihre Auftragsgeberin und eher herrische Adoptivmutter Mei (Shirley Wong). Die Unbekannte ist eine Killerin, die ihre Aufträge präzise, gnadenlos und ohne jede Regung ausführt.


Eines Abends beobachtet sie durch ein Fernglas einen Nudelverkäufer (Lau Ching-Wan) an ihrer Wohnecke und beschließt bei ihm zu speisen. Sie genießt dabei ein angenehmes Gefühl, das die innere Leere aus ihrem Dasein verbannt. Der Nudelverkäufer ist nett, warmherzig und seine Nudelspeisen schmecken vorzüglich. Von nun an kommt sie nach jedem erledigten Auftrag regelmäßig vorbei, um zu speisen. Aber sie redet nicht/kaum und verschwindet auch schnell wieder, so wie sie gekommen war. Der Nudelverkäufer murmelt was von einem hübschen Geist. Bei späteren Besuchen ihrerseits wechseln sie wenige Worte, wobei er am meisten spricht. Man kommt sich langsam ein wenig näher. Als sie in Süd-Korea ist, erschießt sie aus der Distanz einen einflußreichen Gangsterboß. Einer seiner Leibwächter, Choe Il Yeong (Han Jae-Suk) setzt nun fast schon besessen alles daran, diese Auftragskillerin zu erledigen und folgt ihr nach Hongkong....!


Regisseur Patrick Leung war einst Schüler bei John Woo und Johnny To. Er hat hier einen sehr stilistischen Film geschaffen, der sich zu den besten des Hongkong-Kinos der 90er Jahre zählen darf. In kühler Neonästhetik gefilmt, erzählt der Film die Geschichte einer auf Distanz bleibenden und kalten Frau, einer Killerin. Dem Kameramann Arthur Wong gelangen hierzu exzellente Bilder und die Actionszenen inkl. der Schiessereien sind mit einer Wucht eingefangen worden, die den Zuschauer nahezu fesseln. Das alles harmoniert aufs beste so gut miteinander, das dieser Film sich nicht hinter dem Meisterwerk THE KILLER von John Woo verstecken muß. Dabei hat Patrick Leung bewiesen, das er hierbei seinen eigenen Stil hat und keineswegs John Woo kopiert hat. Denn dafür kommt der Film inszenatorisch mit seinen Bildern, den Charakteren und seinen ästhetischen Schiessereien anders daher. Hier ist alles kälter und weniger emotional, als beim John Woo-Film. Im Film THE KILLER rettet der Killer z.B. ein kleines Kind vor dem Sterben. Hier nicht, denn als die Killerin ein Auftrag in Singapur erledigt, erschießt sie nicht nur die Zielperson und dessen Leibwächter, sondern auch ein kleines Mädchen. Zeugen sind in ihrer Welt nicht vorgesehen. In dieser Hinsicht ist der Film hier konsequenter.


Das der Film aufgrund seiner Thematik, den Zuschauer eher fasziniert und gefühlsmäßig nicht langweilig wirkt, liegt an der ganzen Umsetzung, den Charakterisierungen der Hauptpersonen und der kompromislosen weiterführung der Geschichte. Hierzu tragen auch die wirklich exzellenten Darsteller bei. Mit WU CHIEN LIEN hat man eine Frau, die mit ihrer Erscheinung und ihrem fast kühlen Gesicht die Killerin perfekt verkörpert. Es ist die Art, wie sie sich bewegt, agiert, ihr Gesicht und selbst als sie in Gefahr ist, reagiert sie ohne Emotionen. Kalt, kalkulierend erwehrt sie sich eines Tötungsversuches durch den Leibwächter Choe. Auf der anderen Seite genießt sie die Zeit beim Nudelverkäufer Shek Tak Long. Es sind solche Momente wo in ihr eine gewisse Sehnsucht zu menschlicher Nähe vorhanden sind und gleichzeitig sie sich ihre emotionale Distanz bewahrt. Da sie nie richtig Kind sein durfte, was sie in kurzen Worten Shek mitteilt, baut er ihr eine Schauckel oder wo sie beide in strömenden Regen mit einem Gummiboot die nasse Straße herunterrutschen. Unbefangen und ausgelassen genießt sie es. Es sind solche ruhigen Szenen, wo ein zaghafter Gefühlsaustausch zwischen den beiden stattfindet und solchen die im Wechsel widerum die brutalen Schuß- und Actionszenen zeigen, die Beyond Hypothermia im Grunde am besten zur Geltung bringen. Wie schon erwähnt, harmoniert hier alles wunderbar aufs beste zusammen. Und mit LAU CHING-WAN hat man hier einen charakteristischen Gegenpol zur Killerin. Er hat ein warmes Herz, ist zuvorkommend und versucht es seinen Gästen so angenehm wie möglich zumachen. Selbst als eine jugendliche Triadengang von ihm Schutzgeld erpressen will, rechnet er denen erstmal seine Kosten und Verdienst für sein Geschäft vor. Die Killerin hingegen zerbricht unbemerkt sofort zwei Eßstäbchen in vier Hälften und hält diese mit den Spitzen nach vorne als Waffe geballt in ihren Fäusten. Shek klärt die Sache und die Jugendlichen ziehen wieder ab, nichts ahnend wie nahe sie dran waren, die Eßstäbchen in ihre Hälsen gerammt zu bekommen. Lau Ching-Wan ist ebenso genial in seiner Rolle. Solche Szenerien machen den Film zusätzlich auch sehr spannend.


Die DVD von Laser Paradise ist uncut und hat eine gute Bildqualität, die aber nicht anamorph ist! Eine Neuauflage des Films wäre aber wirklich nicht schlecht.

Der Filmtitel BEYOND HYPOTHERMIA bezieht sich übrigens auf eine besonders niedrige Körpertemperatur, die zum emotionslosen Töten am besten geeignet ist. Diesbezüglich beschreibt es auch gleichzeitig die Killerin, was sich auch in ihrer Ausstrahlung ständig zeigt!

Hier haben wir einen erstklassigen in z.T. kühlen Farben ästhetisch gefilmten Thriller, dessen Entdeckung für Nichtkenner sich lohnt. Ich sehe diesen Film in Abständen auch immer wieder gerne!

9/10 eiskalten Thrillern made in Hongkong  

GrafKarnstein

Ich muss mir deine Hongkong Reviews mal in Ruhe durchlesen. Aber das sieht doch mal wieder Spitze aus Graf  Toll Bebildert und dann noch deine ausführliche Meinung, da macht das Lesen eine menge Freude. Hoffe das du noch einige Reviews hier reinsetzt, auch wenn die Resonanz darauf nicht sehr hoch sein wird, da ja die wenigen mit dem Hongkong Film was anfangen können.

Ja, was der Graf macht, ist wirklich hervorragend.

Aber leider bin ich hier auch völlig fehl am Platz.

Alf schrieb: Hoffe das du noch einige Reviews hier reinsetzt, auch wenn die Resonanz darauf nicht sehr hoch sein wird, da ja die wenigen mit dem Hongkong Film was anfangen können.

Dasliegt aber auch sicher zum Teil daran, das wir ja auch kein Riesenforum sind. Die Resonanz in den anderen Boards bei "Filmen von A-Z" ist auch nicht so riesig, aber mit mehr Mitgliedern könnte das auch anders aussehen. Nur ist es eben in erster Line ein "phantastisches Forum".

Trotzdem, der Artikel vom Graf ist mal wieder super und ich hatte bereits gehofft, das er mal wieder was reinstellt, aber man will / soll ja auch nicht hetzen.    Auch die Bilder..echt top !  

Liebe Leute,...vielen Dank

GrafKarnstein schrieb:Liebe Leute,...vielen Dank  

 

Nichts zu danken. Man kann nur hoffen, das Du noch möglichst viele hier reinstellst mit der Zeit. Sind eine echte Bereicherung für's Forum !

Eine der besten Laser Paradise - VÖ. War ja immer auch eine Art Glücksspiel, aber hier liegt eine erstaunlich gute Bildqualität vor.
Die deutsche VHS ist stereo !